Erziehung ohne Tricks

Ausgabe Juni 2009

Frage an Osho:
Warum unterdrücken wir freiwillig uns selber und legen verkrüppelnde Schutzpanzer an?

Um zu überleben. Ein Kind ist hilflos, es kann nicht von sich aus überleben. Diese Hilflosigkeit hat man seit Urzeiten ausgebeutet. Niemanden haben wir so unterdrückt wie Kinder. Richtig, auch Arbeiter sind unterdrückt worden, aber nicht so sehr; auch Frauen sind unterdrückt worden, aber nicht so sehr wie Kinder. Die Kinder sind die am längsten unterdrückte Klasse von Menschen, und sie von den Eltern frei zu machen scheint äußerst schwer. Es scheint praktisch unmöglich.

Das Kind ist so zerbrechlich, dass es nicht von sich aus existieren kann. Das könnt ihr ausbeuten. Ihr könnt dem Kind eintrichtern, was ihr wollt … genau das ist es, was B.F. Skinner ständig in seinem Labor macht. Er bringt Tauben bei, Pingpong zu spielen, und zwar mit demselben Trick: Zuckerbrot und Peitsche. Wenn sie spielen, werden sie belohnt; wenn nicht, wenn sie aufmucken, werden sie bestraft. Wenn sie sich richtig verhalten, werden sie belohnt, bekommen sie Futter; wenn sie sich falsch verhalten, bekommen sie einen elektrischen Schlag. Selbst Tauben beginnen dann Pingpong zu spielen.

So hält man’s seit jeher im Zirkus. Geht mal hin und seht es euch an. Selbst Löwen, herrliche Löwen, sperrt man in Käfige, und Elefanten folgen der Peitsche ihres Dompteurs. Man hat sie erst ausgehungert und dann belohnt. Bestraft und belohnt – das ist der ganze Trick.
Dasselbe, was ihr im Zirkus mit den Tieren macht, macht ihr auch mit euren Kindern. Nur tut ihr es sehr unbewusst, weil man euch dasselbe angetan hat; ihr kennt nur diese Art und Weise Kinder abzurichten und zu erziehen. Und das nennt ihr dann „Erziehung“! Dabei verzieht ihr sie nur, zwängt ihr sie in eine tiefere Daseinsweise, statt sie einer höheren Daseinsweise zuzuführen. Mit lauter Skinnerschen Tricks und Techniken – nur ihretwegen beginnen wir, uns freiwillig zu unterdrücken und verkrüppelnde Schutzpanzer anzulegen.

Ein Kind weiß nicht, was richtig und was falsch ist. Wir bringen es ihm bei. Wir bringen ihm es so bei, wie wir es kennen. Dasselbe mag in Tibet richtig und in Indien falsch sein; dasselbe mag bei euch richtig und schon beim Nachbarn falsch sein. Aber ihr zwingt es dem Kind auf: So ist es richtig und du musst es genauso machen. Das Kind wird gelobt, wenn es so handelt, und missbilligt, wenn es nicht so handelt. Wenn es dir gehorcht, freust du dich und tätschelst das Kind; wenn es dir nicht gehorcht,ärgerst du dich und quälst das Kind, schlägst das Kind, hungerst du das Kind aus, entziehst du ihm deine Liebe.

Natürlich dämmert es dem Kind allmählich, dass es um sein Überleben geht. Wenn es auf Mutter und Vater hört, geht alles gut; wenn nicht, werden sie es töten. Und was kann das Kind schon tun? Wie kann es sich gegen diese Mächtigen durchsetzen? Sie ragen über ihm auf! Sie sind riesig und sehr groß und mächtig und zu allem bereit…