Die Dynamische Meditation, Teil I

Was für Prozesse sie im Gehirn auslöst – und wie gut sie tut

Der Gedanke an Meditation weckt gewöhnlich Bilder von sitzenden und still meditierenden Mönchen. Auf den ersten Blick scheint die Dynamische Meditation genau das Gegenteil zu sein, voller Bewegung, ja sogar mit einer Gelegenheit zu emotionalem Ausdruck. Und sie klingt alles andere als friedlich. Da die Dynamische Meditation heute zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird, auch schon in psychosomatischen Kliniken, wie z.B. in Grönbach und Bad Kissingen (wo sogar eine Mannschaft der deutschen Polizei die Vorteile der Dyna­mischen Meditation für sich entdeckt hat!), ist es hilfreich zu verstehen, was genau an ihr förderlich ist und welcher Um­gang mit der Dynamischen Meditation trau­matisieren könnte.

Als Erstes gilt es zu verstehen, dass Osho die Dynamische Meditation zu dem Zweck entwickelt hat, dem modernen Men­schen eine Möglichkeit zu verschaffen, die Stille zu entdecken. In Oshos Augen steckt der moderne Mensch voller Verdrängungen, während die Men­schen zu Buddhas Zeiten natürlicher und mehr im Einklang mit ihrem menschlichen Wesen lebten, und somit von vornherein viel entspannter waren. Ihnen fiel es daher leicht, sich einfach nur hinzusetzen, ihr In­neres zu beobachten, zu meditieren und still zu sein. Wenn wir uns dagegen hinsetzen, stoßen wir zuerst auf unseren Ver­stand – lärmender denn je! Und wir spüren all die Verspannung eines Körpers, voller unterdrückter Energien und Gefühle.

Der Intelligenz des Körpers folgen

Die Dynamische Meditation ist, mit Oshos Worten, eine kathartische Meditation. Und hier lauert bereits die erste Möglichkeit, diese Meditation misszuverstehen und sie falsch auszuüben.

Wenn wir von Katharsis hören, denken wir an emotionalen Ausdruck, wie wir ihn von der bioenergetischen Therapie oder ähnlichen Therapieformen her kennen, die mit Gefühlsausdruck arbeiten. Dieses Bild oder Ziel ist ein Produkt der logisch denkenden und berechnenden rechten Seite des Neo-Cortex. Da in der linken Hälfte des Gehirns der für Vergan­genheit und Zukunft zuständige Teil sitzt, neigen wir dazu, alles schon einmal Erfah­rene zu wiederholen – was wiederum diese Erfahrung verstärkt.

Wenn wir also mit unseren therapeutischen Vorstellungen an die Dynamische herangehen, ist es leicht, auf Abwege zu geraten und das, was uns heilen könnte, zu verhindern.

Wir müssen der Intelligenz des Körpers folgen. Dies heißt, dass wir auf ihn hören und die Bewegung von selbst kommen lassen müssen. Der Vorgang, der den Körper zu heilen und reinigen vermag, kann nur stattfinden, wenn wir es zutiefst verstehen, den Bewegungen zu folgen, die aus dem In­nersten unseres Körpers aufsteigen. Das ist eine Verlagerung – weg vom Tun und Bewegen, das die linke Seite des Neo-Cortex verursacht, die da sagt: „Nur zu und hol’s dir!“ (und die in jeder einzelnen Phase der Dynamischen ihre Entsprechung hat), hin zur Einfühlung in den Körper und dem Folgen seiner Bewegungsimpulse. Auf die Art und Weise kann unser System lernen, die selbstregulierenden Heilkapazitäten unseres eigenen Körpers zu ertasten und zu befolgen, statt ihm unsere Vorstellungen und Leitbilder aufzuzwingen.

Der Körper kann sich selber heilen

Traumatische Nachwirkungen sind meist die Folge unabgeschlossener Prozesse; was für den Körper bedeutet, dass er in seiner Schockreaktion auf ein bestimmtes Ereignis stecken geblieben ist, dem sein Nerven­sys­tem zur Zeit dieser Erfahrung nicht gewachsen war.

Aufgrund dieses „Einfrierens“ hat das Ner­vensystem eine enorme Ak­tivierung bewahrt. Indem wir lernen den Bewegungen des Körpers zu folgen, gestatten wir diesem, seine instinkthaften Reak­tionen, die der Körper gern ausgeführt hätte, zu Ende zu führen. Peter Levine nennt dies „das biologische Zuende­brin­gen.“ Beim Vorfall selber konnten wir dem Körper aus irgendeinem Grund nicht gestatten, dies selber zu tun und damit sein aufgeladenes Nerven­system zu entspannen. (Mehr hierzu s. Peter Levine: „Trauma-Heilung“).

In der zurückliegenden Situation mag es unsere Erziehung gewesen sein, die uns nicht gestattete „unkultiviert“ zu handeln, oder andere Begleitumstände, die den Körper aus irgendwelchen Gründen daran hinderten seine Reaktionen vollständig auszuleben und zu seinem natürlichen Zu­stand der Entspannung zurückzukehren. Biologische Vollständigkeit basiert auf der innewohnenden Intelligenz des Körpers, sich selbst zu regeln und zu heilen.

Was brauche ich wirklich?

Der Neo-Cortex – oder das „Gesellschafts-Ich“, wie Bas Kast es nennt, mitsamt seinen Vorschriften, wie man zu sein habe und seinen Idealen und seiner Moral – gestattet dieser natürlichen Intelligenz nicht, richtig zu funktionieren. Was daran liegt, dass das Gesellschafts-Ich sich nicht an den Be­dürfnissen des Körpers orientiert, sondern an den Normen dessen, was sich in der Gesellschaft „gehört“ – und in der Gruppe, in der wir aufwuchsen.

Daneben gibt es auch noch das, was Bas Kast das „Erfahrungs-Ich“ nennt, welches auf dem beruht, was wir unser „Bauch­gefühl“ nennen. Auf Japanisch heißt Bauch „Hara“, und darunter versteht man dort „die Quelle des Lebens“, also die Wurzel unserer Lebensenergie im Bauch. Jüngste For­schungen haben ein „zweites Gehirn“ im Bauch entdeckt, welches dem Stammhirn oder Reptilgehirn angehört, dem ältesten Teil des Gehirns. All diese machen den ältesten Teil des menschlichen Gehirns aus und sind die Wurzel unserer instinkthaften und selbstregulativen Reaktionen.

Wenn wir uns mit dem zweiten Gehirn bzw. dem Hara in Verbindung setzen, können wir leichter herausfinden, was wir brauchen und was gut für uns ist.

Oder anders gesagt: Im Bauch wissen wir, was wir wollen und brauchen, und haben wir den Antrieb und die Kraft, es uns zu verschaffen. Dieses Zentrum wird auf vielfache Weise durch die Dynamische Medi­tation aktiviert, wenn wir ihr gebührend Beachtung schenken. Die Berührung mit der Lebensquelle holt Heilkraft von unten nach oben; und wer auf diese Weise wieder mit seinen natürlichen Ge­fühlen von sich selbst in Kontakt kommt, der kann viele Verwirrungen des Verstandes aufklären.

Hör genau hin

Wenn wir uns die Erklärungen einer Medi­tation anhören, neigen wir dazu, sie mit Hilfe der linken Hälfte des Neo-Cortex zu hören, unserer logischen, zielgerichteten Seite, und versuchen dann, das Gehörte auf den Körper zu übertragen. Das zeigt sich dann im Verlauf jeder einzelnen Phase, die wir entsprechend den Bildern ausführen, die wir uns vorweg im Verstand von ihnen gemacht haben.

Somit ist es wichtig, sich diese Verstan­desgewohnheit bewusst zu machen und ein breiteres Verständis der Erklärungen zu entwickeln, damit sich die Heilkapazität, die in den selbstregulativen Bewegungen liegt, entfalten kann – also die Bereinigung aus der inneren Körperintelligenz heraus. Was das für die Dynamische Meditation heißt, werde ich anhand ihrer einzelnen Phasen aufzeigen, deren Prinzipien erklären und hinweisen, worauf es zu achten gilt.

Zur ersten Phase

Tiefes chaotisches Atmen durch die Nase mit Konzentration auf das Ausatmen:“Atme so schnell wie möglich, so tief wie möglich, mit all deiner Energie.“ (Osho) Wenn wir hören „so schnell wie möglich“, hört unser zielgerichteter und geprägter Verstand sofort heraus: „Geh über deine Grenzen!“.

Die Leute fragen: „Was soll ich machen, wenn mir schwindlig wird und wenn mein Kopf abzufallen scheint und mein Nacken steif wird?“ Dies ist offensichtlich ein Zei­chen von Übertreibung. Was wir nämlich überhören, ist das „wie möglich“ – daran sollte man sich halten, und dann macht es dem Körper richtig Spaß, die neue Freiheit auszuloten, die sich in allen Phasen entwickeln kann.

Osho sagt: „Leg dich mit totaler Energie ins Zeug!“ Wenn wir „total“ hören, denken wir an Prozente, an ein unvorstellbares, enormes Mehr als das, was wir bereits tun. Aber total bedeutet nichts weiter als: „Sei bei der Sache mit allem, was du bist, als ganzer Mensch.“ „Total“ geht auf das lateinische totus zurück, was ungeteilt bedeutet. Und genau das ist die Absicht dieser Medi­tations­technik: endlich wieder ungeteilt zu werden. Denn aufgrund unverdauter Trau­mata und Prägungen, aufgrund von Din­gen, die wir in unserm System unterdrücken mussten, sind wir jetzt bruchstückhaft geworden, in Bewusstsein und Körper gespalten.

Total atmen

Tu einfach nichts weiter als zu atmen, und mehr nicht. Geh rein in die Welt des Kör­pers und seiner natürlichen Fähigkeiten und Kräfte, in die du kein Vertrauen mehr hast. Wisse, dass mehr Lebendigkeit in deinem Körper möglich ist, aber tu dir nichts zuleide und überspanne nicht deine natürliche Möglichkeit. Schiel nicht mehr auf den Nachbarn, lass ihn so viel strampeln und keuchen, wie er will, sondern folge nur deinem eigenen Tanz und weite dich auf natürliche Weise aus. Was die Anweisung angeht „Konzentriere dich aufs Ausatmen“, ist es vor allem wichtig, durch die Nase zu atmen, denn das gleicht die linke und die rechte Gehirnhälfte aus, durchbricht deine Routine und öffnet den Körper für die nächste Phase.

Wenn du atmest, tu’s auch mit Unter­stüt­zung des Bauches. Setze den ganzen Körper ein, um das Atmen zu unterstützen, und atme mit dem ganzen Körper. Wenn wir nur in die Brust atmen, aktivieren wir ein Muster der Notatmung. Das Bauch­atmen aktiviert unsere Mitte. So, wie das chaotische Atmen in den ersten Jahren eingesetzt wurde, ähnelte es einer Yoga-Atemtechnik namens kabbalabati, die darauf abzielt, die Organe zu reinigen.

Du kannst beim Aus­atmen ein wenig den Nabel und Unterleib einziehen. Das aktiviert das Lebenszentrum und hilft das Kohlendioxid in den Organen und im Körper auszustoßen. Man könnte auch sagen: um „schlechtes Chi“ auszustoßen. Osho hat gesagt, dass alles Unter­drückte im Körper an Toxine gebunden ist. Bewusstes Ausatmen befreit den Körper also von Giften. Bereits diese Technik ist ein kathartischer, also „reinigender“ Vorgang.